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2009/11/17

Presseecho - 17.11.2009

Präsident spricht Studenten Achtung aus

Coburg - Es waren Worte wie "Armutszeugnis", "menschenunwürdig" und "Scheuklappenstudium", die seitens der Studenten der Hochschule Coburg am Montag bei einer Podiumsdiskussion mit der Hochschulleitung fielen und von ihren Kommilitonen mit großen Beifall honoriert wurden. Klare Worte, die die Hochschulleitung teilweise "empfindlich getroffen" haben, wie Präsident Michael Pötzl eingestehen musste.

Immer noch springen die riesigen Transparente mit den Leitsprüchen der protestierenden Studenten wie "Wer nicht zahlt, bleibt dumm" oder "Für Solidarität und freie Bildung" sowohl in als auch an den Außenwänden der Hochschule sofort ins Auge. Im Gegensatz zu einigen anderen besetzten deutschen Bildungseinrichtungen ließ Michael Pötzl die Proteste und die weiter andauernde Besetzung des Hörsaals nicht polizeilich beenden. Stattdessen bekundete er seine Achtung sowie den Mut und Willen der Studenten, etwas zu verändern. Auch er habe in den letzten Tagen viel gelernt, da durch den konstruktiven Austausch wirkliche Missstände ans Tageslicht gehoben werden konnten. Was in seiner Macht stehe, vor Ort zu verändern, werde er in Angriff nehmen, versicherte Pötzl. Doch viele von den Studenten angeprangerte Tatsachen seien eine Sache der Politik, auf die die Hochschule primär keinen Einfluss nehmen könne. Aus diesem Grund wolle der Hochschulpräsident die besprochenen Anliegen im Ministerium vortragen und sich für einen direkten Wortwechsel zwischen Minister und Studenten einsetzen.

Überfüllte Studienpläne

Besonders bemängelt wurde das erst vor einigen Jahren eingeführte Bachelor- und Master-System, in dessen Studiengängen überfüllte Stundenpläne zusätzlich auf eine kaum zu bewältigende Masse von Lehrinhalten treffen. "Wir können uns ja gar nicht außerhalb unseres Studiums engagieren, weil es im verschulten Bachelorsystem kaum möglich ist, einen Zeitraum zu finden, um sich einzubringen. Stattdessen müssen wir zusehen, dass wir die Hürden des "Sitzenbleibens" irgendwie überwinden", warf ein Student ein. Ein weiterer kritisierte die Unvereinbarkeit von zu dichten Stundenplänen und Studiengebühren: "Fächer ohne Gruppenarbeit liegen unveränderbar fest und hindern mich daran, nachmittags zu arbeiten, was aber aus finanziellen Gründen nötig ist." Hand in Hand damit gehe die Anwesenheitspflicht selbst in einfachen Vorlesungen, die laut Pötzl zwar im rechtlichen Sinn nicht bestehe, jedoch von den Dozenten praktiziert werde. Vielmehr wünschten sich die Studenten, den Stundenplan so zu erstellen, dass auch fächerübergreifende Veranstaltungen zur Allgemeinbildung besucht werden können. In diesem Bezug bestehe allerdings wiederum ein räumliches Problem, das sich, so Kanzlerin Maria Knott-Lutze, aber bei Abschluss der Sanierung des sich momentan im Umbau befindlichen Gebäudekomplexes löse. "Wir legen viel Wert darauf, dass Räume zum Arbeiten zur Verfügung stehen, aber die derzeitige Situation ist den allgemeinen Randbedingungen geschuldet", bedauerte Michael Pötzl. Jedoch erklärte sich die Hochschulleitung bereit, wenigstens die Mensa schon vormittags als Gruppenraum für die Studenten zur Verfügung zu stellen, um ein effektives gemeinsames Arbeiten zu ermöglichen.

Als weiteren Kritikpunkt wurde das Studieren mit Kind angeführt, das eben wegen des straffen Stundenplans, der sich bis in die späten Abendstunden zieht, nur schwer zu bewältigen ist. Zusätzlich bestehe das Problem einer Wartezeit von drei Semestern, bis man einen Krippenplatz erhalte. "Unsere Kinderkrippe ist ein Vorreiter, da sind wir relativ gut ausgebaut", gab Pötzl zu bedenken. Im Jahr 2011 soll hier eine dritte Gruppe eröffnet werden.

Mängel bestünden außerdem beim Bestand der Bibliothek der Hochschule. "Beim Vergleich mit anderen Hochschulen bin ich mir nicht ganz sicher, ob wir unsere Lesestube überhaupt Bibliothek nennen dürfen", merkte eine Studentin an. Neben Lücken im Bestand wurde das Alter der auszuleihenden Bücher kritisiert, die zu einem großen Teil aus den 1970er Jahren stammen. Einigung konnte in diesem Punkt zumindest insofern erzielt werden, als die Hochschulleitung versprach, eine 24-Stunden-Öffnung der Bibliothek in einem "Pilotprojekt" zu testen. Bereits heute sei die Bibliothek montags bis freitags bis 22 Uhr geöffnet, aber die zwei Stunden wolle man gerne zugeben. "Ob die Nutzung dann entsprechend ist, müssen wir testen", sagte Margareta Bögelein, Pressesprecherin der Hochschule im Nachgang der Veranstaltung.

Was die Studiengebühren anbelangte, wünschten sich die Studenten wenigstens mehr Transparenz in der Verwendung der Gelder, wenn schon eine primäre Mitbestimmung oder gar die Abschaffung der Beiträge nicht zu verwirklichen sei. Zum momentanen Zeitpunkt zeigte sich die Hochschulleitung nicht bereit, etwas an der Höhe der Gebühren zu ändern, jedoch erklärte Pötzl, dass die dazugehörige Satzung im Senat noch einmal geöffnet und die Befreiung von der Abgabe auf Stipendiaten ausgeweitet werden soll. Zugesichtert wurde den Studenten zudem, sich für Sondertarife bei SÜC und Deutscher Bahn einzusetzen.

Insgesamt zeigte sich die Hochschulleitung im Rahmen ihrer Möglichkeiten kooperativ, auch wenn viele diskutierte Dinge noch einer konkreten Umsetzung bedürfen. Pötzl hoffte, nach einem Gespräch mit dem Ministerium die Diskussion mit den Studenten zu gegebener Zeit noch einmal aufnehmen zu können, was diese begrüßten: "Was Sie sagen und was Sie sich wünschen, ist alles theoretisch, aber wir wollen Fakten. Der Minister soll nach Coburg kommen und sich einem Gespräch stellen, denn solange die Minister sagen, dass sie sich kümmern, hören wir nicht auf zu fordern!" Auf der anderen Seite forderte Pötzl nun aber auch die Beteiligung der Studenten ein. Der Hochschulpräsident kündigte in einer Pressemitteilung an, sich - wie übrigens alle Hochschulen - über Umfang und Struktur der Bachelorstudiengänge Gedanken machen zu müssen. "Da erwarte ich die Mitwirkung", hieß es. Weitere Informationen über die Aktionen der Studenten unter: www.bildungsstreik.coburg.blogspot.com

Quelle: www.np-coburg.de